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  • Disclaimer: Keine rechtverbindlichen Informationen! Für eine dezidierte Rechtsberatung zu Ihrer Forschung, wenden Sie sich bitte an das Justiziariat oder den Datenschutzbeauftragten der Frankfurt UAS.

    Bearbeitungsdauer: 67 Minuten, 10 Sekunden
    Bearbeitungsdauer (ohne Video): 20 Minuten, 36 Sekunden

    • 9.1 Einführung & Lernziele

      Rechtliche Fragen im Umgang mit Forschungsdaten stellen sich in jeder Phase des Forschungsdatenlebenszyklus. Einen ersten Überblick, welche rechtlichen Aspekte im Umgang mit Daten in welcher Phase jeweils zu beachten sind, gibt Abbildung 9.1. 


      Recht im Forschungsdatenlebenszyklus

      Bearbeitung angelehnt an: Paul Baumann/Philipp Krahn, Rechtliche Rahmenbedingungen des FDM - Grundlagen und Praxisbeispiele, Dresden 2020, Folie 4

      Abb. 9.1: Rechtliche Aspekte des Forschungsdatenmanagements im Forschungsdatenlebenszyklus 

      Nicht für alle rechtlichen Details im Umgang mit Ihren Forschungsdaten müssen Sie selbst Lösungen finden. Über einige rechtliche Konstellationen sollten Sie aber zumindest in Grundzügen selbst Bescheid wissen, wenn Sie im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis und Forschungsethik arbeiten wollen.

      Nach Abschluss dieses Kapitels können Sie...

      • ...die wichtigsten Rechtsgebiete im Umgang mit Forschungsdaten benennen
      • ...konkrete Schritte zur rechtskonformen Umsetzung Ihres Forschungsvorhaben unternehmen
      • ...entscheiden ob und wie Sie Ihre Daten veröffentlichen können
      • ...sich bei Fragen an die richtige Stelle wenden

      Bei komplizierten rechtlichen Fragen können Sie sich bspw. an das Justiziariat und/oder den Datenschutzbeauftragten der Frankfurt UAS wenden. Darüber hinaus hilft Ihnen auch Ihr Referent für Forschungsdatenmanagement gerne weiter.
    • 9.2 Welche Rechtsgebiete sind relevant?

      Maßgeblich für einen verantwortlichen Umgang mit Daten sind zunächst insbesondere die folgenden Rechtsgebiete:

      • Datenschutzrecht
      • Urheberrecht und Leistungsschutzrechte
      • Vertragsrecht

      Je nach Forschungsprojekt können auch weitere Rechtsgebiete betroffen sein. Wenn mit Ihrer Forschung bspw. Erfindungen verbunden sind, müssen Sie z. B. auch das Patentrecht beachten. Ebenso können insbesondere bei Kooperationen mit Unternehmen oder Auftragsforschung vertragliche Vereinbarungen bestehen, die es zu beachten gilt (z. B. Geheimhaltungsvereinbarung).

      Vor allem in der epidemiologischen Forschung mit personenbezogenen Daten und bei Forschung mit therapeutischer Zielsetzung sollten im Vorfeld auch ethische Überlegungen beachtet werden. Diese sind oft bereits in disziplinspezifischen Richtlinien zusammengefasst.
      Beispiele:


      Für einige Vorhaben kann zur Absicherung auch ein Gutachten einer Ethikkommission verpflichtend sein. In der Regel unterhalten Hochschulen solche Kommissionen zur Beurteilung ethischer Grundsatzfragen des Wissenschaftsbetriebs sowie ethischer Fragen von wissenschaftlichen Untersuchungen. Darüber hinaus haben auch manche Fachgesellschaften eigene Ethikkommissionen. Ggf. fallen für die Begutachtung Kosten an.
    • 9.3 Datenschutz

      Bei der Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe von Forschungsdaten mit Personenbezug sind Datenschutzrechte beachten. Wenn Sie als Wissenschaftler*in an einer hessischen Hochschule mit entsprechenden Daten arbeiten, empfiehlt es sich die Grundzüge insbesondere der folgenden Gesetzestexte zu kennen:

      • Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union (DS-GVO)
      • Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
      • Hessisches Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz (HDSIG)

      Im folgenden Video werden die für die wissenschaftliche Forschung besonders relevanten Gesetze zum Datenschutz kurz vorgestellt und ihre Beziehung zueinander erläutert:

          
      Quelle: "Datenschutz in der Forschung", Prof. Dr. Iris Kirchner-Freis, MLS Legal

      Daten ohne Personenbezug bzw. anonymisierte Informationen fallen dagegen nicht unter das Datenschutzrecht und können grundsätzlich unter Berücksichtigung sonstiger Rechte (z. B. Urheberrechte) frei verarbeitet werden.

      Worin genau sich Daten mit Personenbezug von anderen (anonymen) Forschungsdaten unterscheiden, wird im folgenden Abschnitt noch genau erklärt. Im Zweifelsfall sollten Sie zur Vermeidung von Haftungsrisiken von einem Personenbezug ausgehen.


      9.3.1 Personenbezogene Daten und besondere Kategorien personenbezogener Daten

      Personenbezogene Daten sind gemäß Art. 4 Abs. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare lebende Person beziehen. Beispiele für personenbezogene Forschungsdaten sind z. B. Umfragedaten in den Sozialwissenschaften oder Gesundheitsdaten in der medizinischen Forschung.

      Als identifizierbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt mittels Zuordnung identifiziert werden kann:

      • insbesondere zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online‐Kennung oder
      • zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind.

      In der Rechtsprechung sind zuletzt insbesondere folgende Fälle entschieden worden:


      Beispiele

      • Bildnisse, Film- und Tonaufnahmen, wenn ein Personenbezug besteht
      • IP‐Adressen
      • schriftliche Antworten eines Prüflings in einer berufsbezogenen Prüfung
      • Anmerkungen der Prüfenden zur Bewertung dieser Antworten

      Bei der Prüfung, ob eine Person identifizierbar ist, sind nach der DSGVO alle Mittel zu berücksichtigen, die von dem Verantwortlichen oder einer anderen Person unter normalen Umständen (hinsichtlich Kosten‐ und Zeitaufwand) wahrscheinlich genutzt werden, um die Person zu identifizieren (Erwägungsgrund 26 DSGVO).

        
      Quelle: "Datenschutz in der Forschung", Prof. Dr. Iris Kirchner-Freis, MLS Legal

      Darüber hinaus gibt es in der Rechtsprechung Datenkategorien, die als besonders sensibel angesehen werden. Hierzu zählen bspw. Daten über den Gesundheitszustand einer Person, deren sexuelle Orientierung sowie politische oder religiöse Ansichten. Eine Auflistung dieser besondere Kategorien personenbezogener Daten findet sich in Art. 9 DSGVO.

      Diese Daten unterliegen einem besonderen Schutz und besonderen Sorgfaltspflichten bei der Verarbeitung. Dies bedeutet bspw., dass Teilnehmer*innen wissenschaftlicher Studien der Verarbeitung dieser besonderen Kategorien personenbezogener Daten vor der Datenerhebung ausdrücklich zustimmen müssen. Weitere Aspekte werden im folgenden Video erläutert:

        
      Quelle: "Datenschutz in der Forschung", Prof. Dr. Iris Kirchner-Freis, MLS Legal

      Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sind die sog. allgemeinen Datenverarbeitungsgrundsätze (Art. 5 DSGVO) zu beachten:

      • Personenbezogene Forschungsdaten dürfen nur erhoben werden, wenn sie zum Erreichen des Forschungszweckes erforderlich sind.
      • Die Erhebung und Verarbeitung muss gegenüber den betroffenen Personen transparent und mit der gebotenen Redlichkeit geschehen.
      • Die Betroffenen müssen jederzeit die Möglichkeit haben, die Verarbeitung ihrer persönlichen Daten nachvollziehen zu können, und dürfen nicht durch falsche und unterbliebene Informationen in die Irre geführt werden.
      • Der Schutz der Privatsphäre durch Schutz der personenbezogenen Daten sollte bei allen Überlegungen zur Erhebung und Verarbeitung im Mittelpunkt stehen. 
      • Die Daten müssen zudem die Lebensumstände der betreffenden Person korrekt wiedergeben, dürfen sie also nicht verfälschen.
      • Sie sind im Rahmen des Zumutbaren vor Missbrauch (z. B. Entnahme, Veränderung, Beschädigung) technisch und organisatorisch zu schützen.

      9.3.2 Informierte Einwilligung und gesetzliche Erlaubnisnormen

      Grundsätzlich dürfen personenbezogene Forschungsdaten nur mit einer informierten Einwilligung der Betroffenen oder einer gesetzlichen Erlaubnisnorm erhoben und verarbeitet werden (sog. Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt).

      Für die informierte Einwilligung lassen sich gemäß Erwägungsgrund 32 S.2 DSGVO folgende Vorgaben festhalten:

      1. Die Einwilligung muss aus freien Stücken (d. h. ohne physische oder psychische Beeinflussung) erfolgen
      2. Insbesondere bei der Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten (gemäß Art. 9 oder 10 DSGVO) empfiehlt sich eine schriftliche Fixierung der Einwilligung
      3. Die Einwilligenden müssen durch entsprechende Vorabinformationen genau nachvollziehen können, welche ihrer persönlichen Daten wie, für was, von wem und wie lange verwendet werden sollen. D. h. die Personen sollen in die Lage versetzt werden, die Konsequenzen der eigenen Einwilligung genau einschätzen zu können.

      Demgegenüber greifen gesetzliche Erlaubnistatbestände ohne Zutun des Betroffenen. Besondere Bedeutung kommt den in § 27 BDSG, aber auch in vielen Landesdatenschutzgesetzen (z. B. § 13 LDSG-BW, § 17 DSG-NRW, § 13 NDSG) enthaltenen Ausnahmen für wissenschaftliche Forschungszwecke zu.

      Danach ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten erlaubt, wenn die mit dem Forschungsvorhaben verfolgten Interessen diejenigen der betroffenen Personen überwiegen (vgl. forschungsdaten.info). Da dies jedoch nur selten zutrifft, sollten Sie im Zweifelsfall immer eine Einwilligung einzuholen.

      Die Einwilligung bedarf keiner besonderen Form. Jedoch muss sie – z. B. bei einer Überprüfung durch die Datenschutzaufsichtsbehörde – nachweisbar sein, so dass eine schriftliche oder elektronische Dokumentation dringend zu empfehlen ist. Die Einwilligungserklärung sollte mindestens folgende Informationen enthalten:

      • Verantwortliche*r für die Datenerhebung (Rechtspersönlichkeit), der*die gleichzeitig Adressat*in der Einwilligungserklärung ist;
      • Projekttitel;
      • Konkrete Informationen über die Art der erhobenen Daten;
      • Datenverarbeitungsprozesse, Verantwortliche*r im Sinne des Datenschutzes;
      • Hinweis auf Freiwilligkeit, auf Widerrufsrecht, Hinweis auf die Folgen oder die Folgenlosigkeit bei Verweigerung oder Widerruf;
      • besonders wichtig: Verwendungszweck(e).

      Insbesondere muss der Betroffene muss darauf hingewiesen werden, dass seine Einwilligung völlig freiwillig ist, er sie deshalb auch verweigern und – wenn er sie erteilt – die Einwilligung mit Wirkung für die Zukunft jederzeit widerrufen kann, bisherige Nutzungen aber nicht rückgängig gemacht werden können (Vgl. https://www.forschungsdaten-bildung.de/einwilligung).

      Ergänzt werden muss die Einwilligungserklärung um Informationen über die Verarbeitung der Daten. Darunter fallen die Rechtsgrundlagen und Zwecke der Verarbeitung (soweit diese über die Verarbeitung hinausgehen), eine eventuelle Datenübermittlung in Länder außerhalb der EU, die Speicher- bzw. Löschfristen der personenbezogenen Daten und das Beschwerderecht bei einer Datenschutzaufsichtsbehörde (vgl. Watteler/Ebel 2019: 60).

      Die Einwilligung kann für den Wissenschaftsbereich auch abstrakt für wissenschaftliche Zwecke gegeben werden, die zum Zeitpunkt der Erhebung nicht bekannt sind (sog. broad consent). Je konkreter die Beschreibung jedoch erfolgt, desto eher wird sich die Reichweite der betreffenden Einwilligung auf Nutzungen erstrecken können, die über die Verwendung des Primärzwecks hinausgehen. Wenn die Veröffentlichung der Daten im Rahmen des FDM beabsichtigt ist, sollte die Einwilligung explizit auch die Speicherung und Veröffentlichung der Daten umfassen. Ein praktikabler Kompromiss zwischen abstraktem und konkretem Broad Consent kann bspw. in einer abgestuften Einwilligung bestehen.

      Beispiel einer informierten Einwilligung

      Abb. 9.2: Beispiel einer informierten Einwilligung im “Broad-Consent-Format”, Quelle: Baumann/Krahn 2020

      Das folgende Video fasst alle Aspekte zur informierten Einwilligung und zu den gesetzlichen Erlaubnistatbeständen noch einmal zusammen:

        
      Quelle: "Datenschutz in der Forschung", Prof. Dr. Iris Kirchner-Freis, MLS Legal

      Weiterführende Informationen

      Einige Fachdisziplinen bieten Hilfestellungen und Formulierungsbeispiele für schriftlich verfasste informierte Einwilligungen (vgl. z. B. VerbundFDB, RatSWD).


      9.3.3 Mittel zur Entfernung identifizierender Merkmale

      Allgemein gilt, dass personenbezogene Forschungsdaten nach der Erhebung, sobald es der Forschungszweck zulässt (spätestens mit Abschluss des Forschungsvorhabens), anonymisiert werden müssen.

      Anonymisierung

      Eine derartige Veränderung der Daten, dass die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr (sog. absolute Anonymisierung) oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft (sog. faktische Anonymisierung) einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können.


      Der erste Schritt ist dabei die Entfernung direkter Identifikationsmerkmale (Name, Adresse, Telefonnummer usw.). Oftmals reicht dies jedoch nicht aus um einen Personenbezug auszuschließen. In diesem Fall kann die Reduzierung der Informationsgenauigkeit (Aggregierung) ein wirksames Mittel sein, das zudem erlaubt gewisse Informationsteile trotzdem zu behalten.

      Aggregierung

      Zusammenfassung mehrerer gleichartiger Einzelwerte zur Verringerung der Granularität von Informationen. Aus der zusammengefassten Information ist ein Rückschluss auf die Einzelinformationen nicht mehr möglich.


      Hierbei werden also detaillierte Einzelinformationen (z. B. Gehalt im letzten Monat) in Klassen gruppiert (z. B. Unter-, Mittel-, Oberschicht). Der Grad der Aggregierung, der nötig ist um einen Personenbezug auszuschließen kann dabei variieren. Er hängt im Wesentlichen davon ab, welche weiteren potenziellen Identifikationsmerkmale in den Daten vorhanden sind oder aus externen Quellen zugespielt werden können.

      Beispiel für eine graduelle Aggregierung:

      Adresse → Ort → Bundesland → Ost/West → Land → Kontinent


      Es ist in jedem Fall sorgfältig zu prüfen, welche der zur Verfügung stehenden Mittel am geeignetsten und verhältnismäßigsten erscheinen, die identifizierenden Merkmale so zu entfernen, dass auch mit etwaigem Zusatzwissen sowie umfangreichen Kapazitäten zur Datenrecherche und ‐aggregation keine oder nur eine sehr eingeschränkte De‐Anonymisierung möglich ist.

      Ein Aufschub der Anonymisierung ist nur dann möglich, wenn jene Merkmale, mit deren Hilfe ein Personenbezug hergestellt werden kann, zum Erreichen des Forschungszweckes oder einzelner Forschungsschritte benötigt werden. Dies ist beispielsweise während eines noch laufenden Forschungsprojektes, welches auf biometrische Daten zurückgreift, der Fall.

      In diesem Fall müssen die personenbezogenen Merkmale jedoch unmittelbar nach der Erhebung getrennt und sicher gespeichert werden. Dies kann bspw. durch eine Pseudonymisierung der personenbezogenen Forschungsdaten erfolgen.

      Pseudonymisierung

      Die Trennung der personenbezogenen Merkmale unmittelbar nach der Erhebung von den restlichen Daten, so dass die Daten ohne Hinzuziehung zusätzlicher Informationen nicht mehr einer spezifischen Person zugeordnet werden können.


      Ein Beispiel ist die Verwendung einer Schlüsseltabelle, die den Klarnamen von Personen entsprechende ID-Codes zuweist. So kann der Personenbezug nur hergestellt werden, wenn man im Besitz der Schlüsseltabelle ist. Diese kann ggf. auch von einem unabhängigen Treuhänder verwahrt werden.

      Die auf diese Weise verarbeiteten Daten weisen aber bis zur Löschung der separat zu speichernden personenbezogenen Merkmale weiterhin einen Personenbezug auf und unterliegen damit den datenschutzrechtlichen Vorgaben.

        
      Quelle: "Datenschutz in der Forschung", Prof. Dr. Iris Kirchner-Freis, MLS Legal
    • 9.4 Entscheidungsbefugnis

      Neben dem Datenschutz ist eine weitere wichtige Frage, wer über den Umgang mit den Forschungsdaten, insbesondere ihre Veröffentlichung, entscheiden kann. In der Regel kann diejenige Person, der die Forschungsdaten “zugeordnet” sind, auch über deren Umgang wie z. B. deren Veröffentlichung entscheiden. Eine solche “Zuordnung” kann sich etwa aus dem Urheberrecht, dem Dienstvertragsrecht oder dem Patentrecht ergeben.

      9.4.1 Urheberrechte und Leistungsschutzrechte

      In der Regel kann die urheberrechtliche Schutzfähigkeit einzelner Forschungsdaten nur im Einzelfall und selbst dann nicht mit hinreichender Rechtssicherheit beurteilt werden. Gleichwohl lassen sich verschiedenen Fallgruppen von Forschungsdaten nach der konkrete Art der verkörperten Informationen und vor allem deren Gewinnung unterscheiden:

      • Qualitative Forschungsdaten sind z. B. Sprachwerke wie qualitative Interviews oder längere Texte. Sie können grundsätzlich urheberrechtlich geschützte Formulierungen, Strukturen und Gedankenführungen enthalten. Ein urheberrechtlicher Schutz ist ausgeschlossen, wenn Formulierungen, Struktur und Gedankenführung im Wesentlichen durch fachliche Gepflogenheiten vorgegeben sind. 

      • Wissenschaftliche Darstellungen, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen und Tabellen, können einem urheberrechtlichen Schutz unterliegen, wenn die Darstellung nicht durch Sachzwänge oder fachwissenschaftliche Gepflogenheiten vorgegeben ist, sondern ein Gestaltungsspielraum der Wissenschaftler*innen besteht.

      • Unter den gleichen Voraussetzungen sind auch Fotografien und andere Lichtbilder urheberrechtlich geschützt. Hierunter fallen neben Fotografien auch Aufnahmen aus bildgebenden Verfahren, wie z. B. Röntgen-, Kernspin und Computertomografiebilder sowie Fotografien und Einzelbilder aus Filmen. 

      • Quantitative Daten sind z. B. Messergebnisse oder statistische Daten. Im Rahmen standardisierter Erhebungen wird in den meisten Fällen kein urheberrechtlicher Schutz bestehen.

      • Bei (quantitativen) Forschungsdaten, deren Anordnung und Zusammenstellung individualitätsbegründend wirkt, handelt es sich um ein sog. Datenbankwerk (§ 4 UrhG). Nur dessen Struktur und nicht die Informationen als solche unterliegen einem urheberrechtlichen Schutz.

      • Metadaten sind meist relativ kurze, rein beschreibende Darstellungen. Sie sind meist nicht urheberrechtlich geschützt. Eine Schutzfähigkeit kommt grundsätzlich nur in den seltenen Fällen in Betracht, in denen Sie z. B. längere Textabschnitte oder Lichtbilder enthalten.

      Fotografien und andere Lichtbilder können zudem durch ein Leistungsschutzrecht nach § 72 UrhG geschützt sein. Die folgende Abbildung von Brettschneider (2020) unternimmt den Versuch einer Pauschalisierung der Schutzfähigkeit von Forschungsdaten als urheberrechtliche Werke:

      Welche Daten sind urheberrechtlich geschützt?
      Abb. 9.3: Werkqualität von Forschungsdaten, Quelle: Wem "gehören" Forschungsdaten, Folie 5.

      Zusammenstellungen von Forschungsdaten im Rahmen einer Datenbank können - außer, dass sie als Datenbankwerk urheberrechtlich geschützt sein können - zudem durch das Datenbankherstellerrecht (§87a UrhG) geschützt werden. Dieses Leistungsschutzrecht erfordert einen wesentlichen Investitionsaufwand hinsichtlich der Sammlung, Ordnung und Zugänglichmachung der Forschungsdaten.

      Inhaber*in der Datenbankherstellerrechte ist regelmäßig die Person, die die wesentlichen Investitionen erbringt, z. B. die Vergütung der Forschenden zahlt und das wirtschaftliche Risiko trägt. Gemeinhin ist dies ebenfalls die anstellende Hochschule oder Forschungseinrichtung. Im Einzelfall kommt auch eine Inhaberschaft der Drittmittel- oder Auftraggebenden in Frage. 

      Bei nicht geschützten Forschungsdaten (z. B. Messergebnissen) ist rechtlich weitgehend ungeklärt, wem im konkreten Einzelfall die Entscheidungsbefugnis über die Daten obliegt. Ob ein mögliches Persönlichkeitsrecht der Wissenschaftler*innen auch in diesen Fällen eine Zuordnung der Forschungsdaten zu einer Person erlaubt, ist umstritten.


      9.4.2 Nutzungsrechtseinräumungen im Rahmen von Dienst- und Arbeitsverträgen


      Gehört die Schaffung urheberrechtlich geschützter Werke zu den arbeitsvertraglichen Pflichten oder zentralen Aufgaben, werden der*dem Arbeitgeber*in aufgrund des Arbeitsvertrages oder Dienstverhältnisses an diesen sog. „Pflichtwerken“ Nutzungsrechte eingeräumt (§ 43 UrhG). Die folgenden “Zuordnungen” von Forschungsdaten ergibt sich aus dem Interessenausgleich mit der Freiheit der Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG):

      • Hochschullehrer*innen stehen im Regelfall alle Verwertungs-, Nutzungs- und Veröffentlichungsrechte an denen von ihnen geschaffenen Werken zu, sofern keine ausdrücklichen vertraglichen Abreden bestehen (z. B. Drittmittelförderung, Geheimhaltungsabreden). § 43 UrhG (sog. "Pflichtwerke") findet hier keine Anwendung.

      • Wissenschaftliche Assistent*innen und Mitarbeiter*innen sind gemäß Art. 5 Abs. 3 GG privilegiert, wenn und soweit die wissenschaftliche Arbeit weisungsfrei erfolgt, erfolgt die Forschung weisungsabhängig ist eine stillschweigende Nutzungsrechtseinräumung an den erzeugten Forschungsdaten anzunehmen 

      • Bei Studierenden und externen Promovierenden findet grundsätzlich keine Nutzungsrechteeinräumung an die Hochschule statt, da diese keine Arbeitnehmer*innen sind. Jedoch können abweichende vertragliche Vereinbarungen getroffen werden, z. B. bei Drittmittelprojekten, durch die z. B. der Hochschule Nutzungsrechte eingeräumt werden

      Die folgende Abbildung veranschaulicht die Fragen nach dem Übergang von Verwertungsrechten auf den Arbeitgeber (“Pflichtwerk” nach § 43 UrhG) und den Interessenausgleich mit der Freiheit der Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG) nach Rollen, wie sie im wissenschaftlichen Bereich im Einzelfall abzuwägen sind:

      Übergang von Rechten auf den Arbeitgeber
      Abb. 9.4: Rechtsinhaberschaft bei Forschungsdaten, Quelle: Wem "gehören" Forschungsdaten, Folie 7

      Zu beachten ist, dass eine Nutzungsrechtseinräumungen im Rahmen von Dienst- und Arbeitsverträgen ggf. auch stillschweigend erfolgen kann, soweit die Nutzungsrechtseinräumung nicht ausdrücklich im Vertrag geregelt ist. Im Rahmen der (stillschweigenden) Einräumung überlässt die*der Wissenschaftler*in der*dem Arbeitgeber*in auch das Recht zu bestimmen, ob und wie das Werk veröffentlicht wird. Dagegen behält jede*r Wissenschaftler*in ihr*sein Recht auf Namensnennung.

      9.4.3 Zusammenfassung

      Das folgende Video erläutert zusammenfassen das komplexe Zusammenspiel aller bisher erarbeiteten Rechtspositionen für die “Zuordnung” von Forschungsdaten und geht dabei in einigen wenigen ergänzenden Aspekten auch über das bisher ausgeführte hinaus (z. B. Software, Datenträger): 

      Quelle: „Open Science: Von Daten zu Publikationen“, Peter Brettschneider, Universität Konstanz

    • 9.5 Veröffentlichung und Lizenzierung von Forschungsdaten

      Bevor Daten öffentlich zugänglich gemacht werden können, gilt es, eine Vielzahl rechtlicher Aspekte zu beachten – denn nicht alle Daten können oder sollten veröffentlicht werden. Die wichtigsten rechtlichen Aspekte berücksichtigt die folgende Entscheidungshilfe in Form eines Flussdiagramms. Die Beantwortung der gestellten Fragen führt Sie durch den Entscheidungsprozess bis zu einer Empfehlung:

      Entscheidungsbaum zur Datenveröffentlichung
      Abb. 9.5: Entscheidungsprozess Datenveröffentlichung, Quelle: forschungsdaten.info, https://zenodo.org/record/3368293

      Im Wesentlichen, jedoch nicht ausschließlich, sind vor der Veröffentlichung Fragen des Datenschutzes und des Urheberrechts zu klären. Die entscheidenden Weichenstellungen für die Möglichkeit zur Veröffentlichung von Forschungsdaten in einem Repositorium erfolgen deshalb häufig bereits bei der Erhebung der Daten und der Einholung entsprechender Einwilligungserklärungen.

      9.5.1 Was sind geeignete Lizenzierungsmodelle?

      Damit Andere Ihre urheberrechtlich geschützten Daten auch wirklich nutzen dürfen, müssen die Bedingungen der Nutzung geregelt sein. Dies geschieht durch die Vergabe einer Lizenz. Existiert keine Lizenz, dürfen urheberrechtlich geschützten Daten nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Urheber*innen verwendet werden.

      Hingegen sollten nicht urheberrechtlich geschützte Forschungsdaten, deren Nutzung bereits ohne vertragliche Erlaubnis (z. B. Lizenz) zulässig ist, weder eingeschränkt noch mit Bedingungen belegt werden. Aus diesem Grund besteht z. B. unter der CC-BY 4.0-Lizenz auch keine durchsetzbare Verpflichtung zur Attribution (siehe Klausel 8a des Lizenzvertrags).


      Häufig werden für das Bereitstellen von Forschungsdaten die Creative Commons Lizenzen verwendet. Neben der Europäischen Kommission im Rahmen von Horizon 2020 empfiehlt auch die DFG die Verwendung dieser Lizenztypen. Bei der Entscheidung für eine konkrete Lizenz gilt die Maßgabe “So offen wie möglich, so restriktiv wie nötig”:

      Überblick über CC-Lizenzen
      Abb. 9.6: Nutzungsmöglichkeiten von Daten unter verschiedenen Creative Commons-Lizenzen, Quelle: Apel et al. 2017

      Die “Kurzfassung des Gutachtens zu den rechtlichen Rahmenbedingungen des Forschungsdatenmanagements” des BMBF geförderte DataJus Projekts an der Technischen Universität, das die rechtlichen Rahmenbedingungen des Forschungsdatenmanagements untersucht hat, spricht sich für die beiden folgenden Lizenzen aus:

      Lizenz

      Beschreibung

      CC0 (Plus)

      Die CC0-Lizenz ermöglicht die maximale Freigabe der Daten und erleichtert die Nachnutzung. Ein Recht auf Namensnennung besteht nicht. Insbesondere für Metadaten ist diese Lizenzierung zu empfehlen.

      CC‐BY 4.0

      Die CC‐BY 4.0-Lizenz ist sinnvoll, wenn eine Namensnennung gewünscht ist. Zugleich wird dem Gebot der Quellenangabe genügt (Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis). Die CC-BY 4.0-Lizenz wird daher für die Veröffentlichung von Forschungsdaten empfohlen.

      Tab. 9.1: Empfehlenswerte Lizenzen für Forschungsdaten

      Die Verwendung weiterer Lizenzbausteine sei nicht zu empfehlen. So schlössen z. B. die Creative Commons (CC) Lizenzen mit dem Attribut „ND“ (z. B. CC-BY-ND) die Weitergabe „abgewandelten“ Materials aus. Somit bliebe die öffentliche Zugänglichmachung einer neuen Datenbank, die aus Teilen anderer Datenbanken geschaffen wurde, ausgeschlossen.

      Software benötigt, im Gegensatz zu vielen anderen Forschungsdaten, eine gesonderte Lizenz. Die Verwendung von Creative Commons Lizenzen ist hierfür nicht zu empfehlen. Es stehen aber ebenfalls unterschiedliche Lizenzen zur Verfügung: MIT-Lizenz, GNU General Public License (GPL), GNU Lesser General Public License (LGPL), Apache-Lizenz.


      9.5.2 Was kann einer Veröffentlichung entgegenstehen?

      Nicht alle Forschungsdaten dürfen oder sollten auch tatsächlich veröffentlicht werden. Bevor Sie ggf. gänzlich auf eine Veröffentlichung verzichten, sollten Sie in jedem Fall prüfen, ob Sie Maßnahmen ergreifen können um eine rechtlich und ethisch unbedenkliche Veröffentlichung doch noch zu ermöglichen. Einen Überblick über mögliche rechtliche Hürden und entsprechende Lösungen gibt folgende Abbildung:

      Hinderungsgründe bei Datenveröffentlichung

      Abb. 9.7: Entscheidungsbaum zur Datenveröffentlichung, Quelle: Böker/Brettschneider (2020)

      Darüber hinaus sollten Sie auch forschungsethische Aspekte in Ihre Entscheidung über eine Veröffentlichung Ihrer Forschungsdaten einfließen lassen Die folgenden Punkte sollten Ihnen einige Anhaltspunkte ohne Anspruch auf Vollständigkeit an die Hand geben:

      • Können die Daten in einer Weise genutzt werden, die der Gesellschaft schadet?
      • Bestehen durch die Veröffentlichung z. B. Risiken für die beforschten Personen (auch wenn diese der Verwendung ihrer Daten zugestimmt haben)?
      • Haben beteiligte Arbeitsgruppenmitglieder berechtigte Interessen die Datenveröffentlichung zu unterbinden oder hinauszuzögern (z. B. für die Fertigstellung von Qualifikationsarbeiten)?

      9.5.3 Schutz vertraulicher Informationen in Forschungsdatenzentren

      Durch die Nutzung von Datenzentren oder auch Archiven ist es möglich, den Zugriff auf vertrauliche und sensible Daten zu beschränken und zugleich eine Datenfreigabe für Forschungs- und Bildungszwecke zu ermöglichen. Die in Datenzentren und Archiven gehaltenen Daten sind im Allgemeinen nicht öffentlich zugänglich. Ihre Verwendung nach der Benutzerregistrierung ist auf bestimmte Zwecke beschränkt. Nutzende unterzeichnen eine Endbenutzer-Lizenz, in der sie sich mit bestimmten Bedingungen einverstanden erklären, z. B. Daten nicht zu kommerziellen Zwecken zu nutzen oder potenziell identifizierbare Personen nicht zu identifizieren. Welche Art von Datenzugriff erlaubt ist, wird vorher mit dem Urheber festgelegt. Darüber hinaus können Datenzentren zusätzliche Zugangsregelungen für vertrauliche Daten verhängen. Quelle: forschungsdaten.info

    • 9.6 Zusammenfassung

      Das Video “Von Daten zu Publikationen” erläutert abschließend für dieses Kapitel das komplexe Zusammenspiel aller bisher erarbeiteten Rechtspositionen an Forschungsdaten noch einmal im Zusammenhang und geht dabei in einigen wenigen Aspekten auch über das bisher Erlernte hinaus (z. B. Software, Datenträger).


    • Testen Sie Ihr Wissen über die Inhalte dieses Kapitels!

    • Hier sind noch einmal die wichtigsten Fakten zum Kapitel zusammengefasst.